Fortaleza

Lange habe ich überlegt, ob ich zu diesem Stop auf unserer Reise überhaupt etwas schreiben soll. Wir waren 11 Tage in dieser für uns nördlichsten Stadt und

irgendwie wurden Fortaleza und ich so gar nicht warm miteinander. Mittlerweile glaube ich, dass das mehrere Gründe hatte: Neben der Tatsache, dass es mir in der Zeit nicht ganz so gut ging störte mich zum Beispiel, dass wir nicht die beste Gegend für Kinder gewählt haben und, dass sich Brasilien hier von einer anderen Seite gezeigt hat, als die, die wir bisher kannten. 

Ich habe mich dann doch fürs Schreiben entschieden. Weil ich nichts auslassen wollte, und, weil ich mit etwas Abstand doch das ein oder andere Gute an unserer Zeit dort gefunden habe. Aber beginnen wir... am Anfang: 

Wir haben unsere Unterkunft einen Tag vor Ankunft in Fortaleza gebucht. Jap, das war ganz schön knapp! Irgendwie hatten wir wohl gehofft, dass wir über einen Kontakt in Natal an eine günstige Wohnung kommen würden. Wir waren auch etwas über die hohen Mietpreise für Wohnungen erstaunt und wollten uns unserem Schicksal nicht so gerne hingeben :-) Während wir in Natal für drei Wochen in zwei Zimmern ungefähr 400 Euro bezahlt haben, hat uns die Unterkunft in Fortaleza für 11 Tage schließlich 450 Euro gekostet. Das Appartment war aber zugegebenermaßen auch etwas hochwertiger. Wir hatten ein extra kleines, seperates Zimmer (das Senia sofort für sich beansprucht hat – zum ersten Mal hat sie in ihrem eigenen Bett, in ihrem eigenen Zimmer geschlafen! Selbstbestimmung rockt, so cool!) und wir hatten einen Pool und einen Spielbereich für die Kinder am Haus. Soweit, so gut! 

Fortaleza ist eine Großstadt mit 2 Millionen Einwohnern, das familiäre, dass ich in Natal so mochte, war hier für uns nicht spürbar. Zwar haben wir zwei Mal eine Freundin von Patricia aus Natal getroffen, doch hat sich daraus nicht viel mehr ergeben. 

Die Stadt selbst ist also erst einmal sehr groß. Wir haben in der Nähe vom Strand gewohnt. Leider war der Strand so gar nicht zu gebrauchen – dreckig, zu viele Wellen, kaum jemand da (sicher aus zuvor genannten Gründen). Ein Mal sind wir zum Praia do Futuro gefahren, etwas außerhalb der Stadt, ein schöner Strand und gute Restaurants. Leider habe ich in der Stadt ansonsten kaum etwas Interessantes entdeckt... zumindest auf den ersten und zweiten Blick haben wir keine kulturellen Angebote gesehen, es gibt einen recht schönen Marktplatz, der aber scheinbar nur am Abend erwacht. Tagsüber erschien Fortaleza wie eine reine Arbeitsstadt und hatte für mich so gar keinen Flair. 

Die Strandpromenade, die wirklich sehr beeindruckend ist mit all den Hochhäusern, erwacht am Abend. Es gibt einen großen Markt Kleidung, Kunst, und viiiiiiiiielen schnell kaputtgehenden Plastikspielsachen, die blinken und Krach machen... Hier haben wir weitestgehend gute Erfahrungen gemacht, bis auf die Verkäufer, die die Spielsachen den Kindern direkt in die Hand drücken und dann erwarteten, dass wir sie kaufen :-/ 

Einmal haben wir uns an der Promenade Inlineskates (ich) und einen Roller (Senia) ausgeliehen. Es hat für 3 Stunden nur ein paar Euro gekostet und so lange haben wir es gar nicht ausgehalten! Überhaupt erstaunlich, dass ich mir dabei kein Bein gebrochen habe, meine Skaterzeit ist wirklich schon etwas länger her. Es hat auf jeden Fall für Abwechslung gesorgt und richtig Spaß gemacht! 

Ebenfalls an der Promenade fährt jeden Abend ein „Zug“ ab (eigentlich ein Wagen mit Anhängern), eine Mischung aus Kinder- und Partyzug: Laute Musik und als Animation als Cartooncharaktere verkleidete Tänzer. Senia war von Ladybug (Miraculous) und Masha (von Masha und der Bär) schwer beeindruckt und so standen wir immer etwas länger dort, um zuzugucken; mitfahren wollte sie nie! 

In diesem ganzen Troubel war es oft aber nicht einfach, Senia mal laufen zu lassen. Ein dort lebender Deutscher meinte, wir sollten ganz genau auf unsere Kinder aufpassen, Kindesentführung passiere dort wohl sehr schnell. Nicht nur, dass das sowieso kacke ist. Es stresst auch einfach Eltern und Kind und so habe ich so wenig wie möglich versucht, dort am Abend hinzugehen. (Im Übrigen zum ersten Mal, dass mir gegenüber das Thema Kindesentführung erwähnt wurde. Bisher haben alle gesagt, dass das hier kein besonders großes Thema sei.) 

Mit Einbruch der Dunkelheit waren wir somit meist spätestens zu Hause. Selbst die Einheimischen dort scheinen ganz besonders vorsichtig zu sein, wenn es dunkel wird. In Natal konnte ich mich dazu im Vergleich viel freier bewegen und solch eine Einschränkung nervt mich einfach fürchterlich. 

Im Bereich der Strandpromenade haben wir viele sehr häufig junge brasilianische Frauen mit älteren, weißen Männern gesehen. Klar, das ist erst einmal ein ungefilterter Eindruck ohne jegliches Hintergrundwissen, wie die Situation tatsächlich ist. Dennoch beschäftigte mich die Frage des Sextourismus, Sexismus und Feminismus hier in Fortaleza besonders und hinterlässt einen fiesen Nachgeschmack bei mir. Eine weitere Situation, die mir in Erinnerung blieb: Eine Mutter mit ihren, ich glaube 6 teils kleinen Kindern auf dem Weg von der Strandpromenade nach Hause, vermutlich ins Favela. Die Mutter trägt eine Tüte mit erbetteltem Geld, beim Gehen drehen sich die Kinder zu uns um und betteln uns an. Lange haben uns Fragen um diese Familie herum beschäftigt: Wo die Frau wohl wohnt? Wie viele Kinder hat sie insgesamt? Ob sie schon immer betteln geht? Bekommt sie in irgendeiner Form Unterstützung vom Staat? Lernen die Kinder von Geburt an zu betteln? Wo ist der Vater zu den Kindern? Ob die Frau wohl auch eine Prostituierte ist? Warum erhält unser System diese Geschichten am Leben? Ist das alles wirklich das beste, was wir tun können? 

Wenn ich das hier so runterschreibe, wundert es mich tatsächlich wieder nicht, warum ich in Fortaleza keine besonders gute Zeit hatte :-D Für die Kinder war es sicherlich gut wegen des tollen Appartments, des Pools etc. Wayne fand es auch nicht so dramatisch. Er meint viel mehr, ich sei offensichtlich in einer zu heilen Welt aufgewachsen, dass mich die negativen Eindrücke hier so sehr runterziehen... 

Da fällt mir noch ein, dass wir in einem sehr schönen Park waren, Parque Ecologico do Coco. Hier sind kleine Affen ganz nah an uns ran gekommen! 

Auf unserem Rückflug von Fortaleza nach Sao Paulo saß ich mit Roxas neben einer Frau, die von Roxas sofort angeflirtet wurde :-) Raquel lebt in Fortaleza, pendelt aber zwischen Sao Paulo und dort. Sie lebt im Norden, da sie die Sonne liebt und die Stadt findet sie auch gut! Daher ist irgendwie meine Vermutung, dass Fortaleza mit den richtigen, netten Kontakten sicher auch eine gute Zeit bedeuten kann. 

Raquel haben wir dann auch in Sao Paulo in der Wohnung ihres Freundes besucht. José spricht sehr gut deutsch und liebt Deutschland! Davon dann im nächsten Bericht!

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